Donnerstag, 14. Dezember 2017

6. Dezember: Leihgabe vom Nikolaus (Test Leica Noctivid)

Ausgerechnet am Nikolaustag kam ein Paket bei mir an, über das ich zunächst sehr überrascht war. Ich hatte doch gar nichts bestellt? Doch als ich es mir etwas genauer ansah, fiel es mir wieder ein: Ich hatte mich vor einiger Zeit als "Tester" für ein hochwertiges Fernglas, ein Leica Noctivid, beworben. Durch ein solches Fernglas schauen zu dürfen, das ist schon wirklich ein Geschenk, selbst wenn ich es nur eine Woche testen darf.  Jetzt ist das Glas wieder auf dem Rückweg zu Leica. Hier mein subjektiver Testbericht.

Leica Koffer
Nachdem ich den braunen Karton geöffnet hatte, entdeckte ich als erstes einen sehr stabilen Plastik-Hartschalenkoffer. Innen drin war dies natürlich mit dickem Schaumstoff gefüllt, eine exzellente Verpackung. Da kann so ein Paket auch schon mal fallen oder sonst wie durch die Luft fliegen, der Inhalt ist darin sicher aufgehoben.

Innendrin das Fernglas zusätzlich geschützt in einem Etui mit zwei Reißverschlüssen. Durch eine Lasche auf der Rückseite des Etuis war der mit Leica beschriftete Haltegurt des Fernglas gezogen, so dass man nicht zwei Gurte (einen für das Etui und einen für das Glas) benötigt, durchaus praktisch.

... der Koffer geöffnet...
Zusätzlich in der Verpackung ein Tuch zum Reinigen der Gläser (das ich in dieser Woche jedoch gar nicht nutzen brauchte), eine Betriebsanleitung in vielen Sprachen, ein Fragebogen für den Test und natürlich ein Schreiben an mich mit Hinweisen für den Rückversand und Dank für meine Testbereitschaft.

Mein Test ist natürlich nur ein subjektiver. Ich bin ja kein physikalisches Labor, das genau die Strahlengänge durch das Fernglas messen könnte. Insofern bitte ich um Verständnis, wenn an der einen oder anderen Stelle Lob und Kritik vielleicht zu emotional geprägt ist. Jemand anderes mag auf andere Punkte mehr Wert legen als ich, da kann so ein Test schon wieder ganz anders ausfallen.

Leica Noctivid 8x42
Das zugeschickte Glas war ein Leica Noctivid 8x42. Zufällig nutze ich als Fernglas zur Zeit ein anderes Glas mit genau den gleich Daten regelmäßig. Ein Minox BL 8x42 HD liegt bei mir in der Küche auf der Fensterbank, so dass ich damit immer schnell die Vögel am Futterhaus im Garten davor beobachten kann. Ansonsten habe ich bei mir zuhause noch weitere "Billigferngläser", geerbt von den Eltern (8x30), ein schreckliches "Zoom-Fernglas" vom Discounter (lassen sie die Finger weg von so etwas!) und ein Bresser 10x50 Fernglas, was mir lange Jahre gute Dienste geleistet hat. Je älter ich jedoch werde, desto "zittriger" wird meine Hand, und dann empfiehlt es sich, mit der Vergrößerung etwas herunter zu gehen, weshalb ich mir das Minox Glas besorgte.

Und gleich der erste Blick durch das Leica-Glas zum Fenster heraus führte zu einem "Wow"-Effekt. Ich bin Brillenträger (mit Gleitsichtbrille) und konnte das Glas sofort ohne irgendwelche Einstellungen zu tätigen zusammen mit der Brille nutzen. Die Post kommt bei uns immer spät nach Mittag. Draußen war kein schönes Wetter, es war trüb und für die Tageszeit shon viel zu dunkel.

Trotzdem konnte ich die Vögel am Futterhaus hell und klar erkennen. Die wunderschönen Farben des
Noctivid mit Objektivverschluß
Gefieders eines Kernbeißers haben es mir besonders angetan. Gleich habe ich auch zum Minox gegriffen und dort durchgeschaut. Auch hier ein schönes, klares Bild, aber doch nicht so hell wie im Leica Noctivid. Hatten die etwa einen "Lichtverstärker" eingebaut? Natürlich nicht, dies macht wohl eher der optische Aufbau und eine sehr gute Vergütung der Linsen möglich. Leica gibt die Lichttransmission mit 92 Prozent an, für das Minox habe ich einen entsprechenden Wert leider nicht gefunden.

Andererseits fiel mir im direkten Vergleich sofort auf, das Leica ist viel schwerer als das Minox. Das Leica-Glas wiegt ca. 900 Gramm, das Minox nur gut 650 Gramm. 250 Gramm Unterschied wird man beim Wandern oder Tragen des Glases sicherlich spüren.

Neben dem Gewicht fühlt sich das Leica durchaus in Hand sehr gut an. Es ist sicherlich hochwertig verarbeitet. Die Fokussierung durch den Mitteltrieb lässt sich sehr gut mit den Fingern erreichen, ist leichtgängig genug, um bewusst verstellt zu werden, aber nicht so leichtgängig, dass es sich von alleine verstellt.

Die Schärfentiefe führt natürlich gerade im Nahbereich beim Blick in den Garten, der vom Küchenfenster einen bis sieben Meter entfernt ist, natürlich dazu, dass man immer wieder etwas nachregulieren muss, je nachdem ob man vorne oder hinten die Vögel ins Visier nimmt. Doch dies geht leicht - und gerade die "Unschärfe" der vor oder hinter dem eigentlichen Beobachtungsziel liegenden Bereiche führen zu einem sehr schönen, plastischen Bild. Fotografen spreche hier - glaube ich - wohl von einem "Bokeh".

Ich war jedenfalls vom ersten Blick an von dem Glas begeistert. Für "Outdoor"-beobachtungen, auf Wanderungen oder insbesondere zur Vogelbeobachtung wirklich ein sehr schönes Glas. Am Samstag, den 9. Dezember, habe ich es gleich mitgenommen zu einer "Möwenschlafplatz-Zählung". Auf dem Nettelbrecker See finden sich in der abendlichen Dämmerung zur Zeit über 2000 Möwen ein, um dort die Nacht zu verbringen. Ein idealer Test für mein Glas. Dort ging mein Glas natürlich gleich von Hand zu Hand und löste bei meinen ornithologischen Freunden natürlich auch viel Begeisterung aus.

Wie aber würde sich dieses Fernglas am Sternenhimmel schlagen? Ist es auch Astronomie tauglich?
Natürlich war es in dieser Woche fast immer total bewölkt. Zu meinem großen Glück nur fast. Am 8. August war es in den frühen Morgenstunden nicht vollständig bewölkt, so dass zumindest der Mond ab und an mal kurz zu sehen war. Um 8:13 Uhr gelang mir dieses Foto (nicht durch das Fernglas, sondern durch mein Spektiv):

Mond am 8.12.2017 um 8:13 Uhr MEZ
Im Fernglas war der immer noch zu 72 Prozent beleuchtete Mond sehr hell zu sehen. Etliche einzelne Krater waren gut auszumachen. Nicht so viele wie auf dem Foto, das ist ja mit einer viel größeren Optik entstanden, so dass das Glas durchaus zur Mondbeobachtung taugt, denke ich. Auch hier gab es ein kristallklares Bild der Mondoberfläche. Einzig am hellen Mondrand störte dann doch ein gelber Farbstreifen, oder Farbstich wohl eher. Dieser Effekt nennt sich "chromatische Abberation", ein Fehler, der in der Beobachtungspraxis am Tage so gut wie keine Rolle spielt, für den der möglichst volle Mond jedoch eine echte "Härteprüfung" darstellt. Und hier zeigt sich für mich, dass trotz sicherlich aufwendiger optische Konstruktion auch die Leica Ingenieure nicht zaubern können. Bei meinen billigeren Ferngläsern war dieser Effekt übrigens noch viel ausgeprägter zu erkennen.

Für die Beobachtung von Sternen war es an diesem Morgen jedoch schon zu spät. Diese konnte ich mit dem Glas erst fünf Tage später, am 13. Dezember früh morgens zwischen sechs und sieben Uhr beobachten. Auch hier war der Himmel teilweise bewölkt, die Lücken waren jedoch durchaus größer, so dass auch ein Blick auf Mars und Jupiter möglich war, die Helligkeit der Mondsichel hatte auch schon abgenommen, der Mond war nur noch zu 22 Prozent beleuchtet.

Himmel am 13.12.17 mit Mond, Mars, Jupiter und Spica in der Jungfrau
Unterhalb des Mondes waren rechts (westlich) von ihm Spica in der Jungfaru und links (östlich) der Planet Mars zu erkennen, die gemeinsam ein schönes Dreieck bildeten. Tief am Horizont, auf dem Foto neben einem Bau auf dem Nachbargrundstück zwischen den Wolken der hellere Planet Jupiter.

Hier zeigte der Mond nicht mehr die chromatische Abberation. Dies lag wohl daran, dass der Helligkeitsunterschied zwischen Mondoberfläche und Himmel nicht mehr so stark war wie noch fünf Tage zuvor. Zusätzlich war die Luft jedoch auch wesentlich feuchter, das hat wahrscheinlich auch viele Kontraste gemildert.

An Spica konnte ich gut testen, wie "randscharf" das Bild im Fernglas ausfallen würde. Natürlich war Spica knackscharf, wenn man sie im Bildmittelpunkt eingestellt hatte. Doch wenn man langsam zum Rand hin schwenken würde, was passiert dann? Machen sie mal selbst solch einen Text mit ihrem Fernglas, auch hier gilt wieder, draußen bei der "normalen" Beobachtung in feld und Flur fällt eine gewisse Randunschärfe bei guten Gläsern nicht auf, am punktförmigen Stern jedoch schon. Auch hier wurde Spica in der Tat am Rand leicht unscharf. Ich kann nicht objektiv sagen nach 90% des Bildradius oder erst nach 95%, aber es war doch merkbar. Nach meiner Erfahrung auch dies wieder ein Effekt, der sich physikalisch nicht zu 100% lösen lässt; und andere Gläser sind im Vergleich zum Leica hier sicherlich deutlich schwächer. Aber er ist eben auch hier noch zu erkennen.

Ein anderer Effekt fiel mir aber sofort im Vergleich mit dem Minox-Fernglas auf. Das Leica hatte das erkennbar größere Gesichtsfeld. Wenn ich im Minox Spica an einem Rand hatte, war der Mond nicht mehr komplett in das Blickfeld zu bekommen. Anders im Leica Noctivid, hier waren Spica und Mond beide gut zusammen sichtbar. Das tatsächliche Gesichtsfeld war im Noctivid also deutlich erkennbar größer als im Minox. Dies bestätigt auch ein Blick in die Datenblätter, beim Minox beträgt der optische Sehwinkel 6,5° Grad, beim Leica 7,7° Grad. Das klingt nach nur einem kleinen Unterschied, in der Praxis machte es - zumindest an diesem Morgen - deutlich mehr aus. Je größer das Sichtfeld ist, umso besser natürlich für Sternfeldbeobachtungen.

Was lässt sich noch über dieses Fernglas sagen?

Einen klassischen Schraubanschluss für Stative hat dieses Fernglas nicht. Bei Leica gibt es einen stabilen Stativadapter mit Gummischlaufen zur sicheren Fernglasbefestigung zu kaufen.

Dioptrieneinstellung
Etwas überrascht hat mich die Dioptrieneinstellung für das Glas, wenn man zum Beispiel nicht durch eine Brille beobachten wollte. Dies geht beim Noctivid auch über den Mitteltrieb. Vorteil dieser Lösung ist es, einmal richtig eingestellt, kann sich da nichts mehr aus versehen verstellen. Wer sein Glas also selbst benutzt wird eine solche komfortable Lösung zu schätzen wissen. Soll so ein Glas jedoch von vielen verschiedenen Augenpaaren genutzt werden, muss man unter Umständen doch ein Tucken komplizierter als bei anderen Gläsern immer wieder den Dioptrienausgleich einstellen. Unter der Dioptrienskala befindet sich übrigens auch die Seriennummer des Geräts.

Die Naheinstellgrenze, also der Punkt, ab welchem Abstand man Objekte mit dem Glas scharf einstellen kann, wird bei meinem Minox auf dem Datenblatt mit 2,5 Metern angegeben, beim Leica erst mit 1,9 Metern. Ein einfacher Testblick auf meinen Fußboden zeigt mir, dass der Leica-Wert durchaus korrekt angegeben ist. Beim Minox-Glas fing der scharfe Bereich jedoch erst erkennbar deutlich hinter dem Leica an. Also auch hier ein deutlicher Pluspunkt für das Leica-Gerät.

Das Fernglas kommt mit gut befestigtem Objektivschutzdeckeln. Bei meinem Minox-Gerät habe ich die Kappen leider schon längst verloren.  Die Okularring lassen sich fest und stabil einrastend einstellen, so dass man seinen individuellen Augenabstand vom Glas sehr gut einstellen kann. Für Brillenträger wird meist empfohlen, diese ganz "drinnen" zu lassen. Für meine Augen mit Brille war die Einstellung mit einer "Rastung" jedoch am besten und führte zum entspannensten Gucken.

Mein Fazit: Das Leica Noctivid ist ein phantastisches Fernglas. Der Unterschied zum sicherlich auch wirklich gutem Minox-Glas ist deutlich erkennbar. Leider ist auch der Preis dafür recht hoch. Als Listenpreis gibt Leica 2580 Euro an, im Internet kostet das Gerät meist etwas über 2000 Euro.  Das ist viel Geld. Wenn man so viel Geld zur Verfügung hat (ich träume davon leider nur) sollte man sich dies auch leisten. Mein Minox-Gerät hatte, als es neu auf den Markt kam, wohl einen Listenpreis von 449 Euro, heute ist es noch für ca. 350 Euro zu bekommen. Ich werde damit sicherlich auch weiterhin zufrieden sein.

Hier gibt es einen ausführlichen Vergelich (in englischer Sprache allerdings) des Leica Fernglases mit Geräten von Svarowski und Zeiss, die ebenfalls zum in dieser Preis- und Qualitätsliga spielen: https://www.birdwatching.com/optics/2017_titans_revisited/review.html

Ich selbst habe mir für die Vogelbeobachtung und die Astronomie vor längerer Zeit ein Leica Spektiv geleistet. Dieses bietet natürlich, weil der optische Aufbau etwas anders als bei einem Fernglas ist, allein schno durch das größere Objektiv noch mehr Lichtstärke, Vergrößerung und Bildschönheit. Natürlich kann man dies nicht mehr frei Hand zum Beobachten einsetzen, das geht nur auf einem Stativ. Und der "einäugige" Blick ist auch nicht so entspannend für unser Hirn wie der beidäugige Blick durch ein Fernglas. Trotzdem bietet ein Spektiv für das mehr an Geld gerade für die astronomische Beobachtung doch etwas mehr. Wenn man sich nicht ohnehin für dieses Geld dann lieber gleich ein größeres Fernrohr kaufen will. Doch das ist eine andere Geschichte.

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