Montag, 28. Dezember 2015

Ein Paderborner Schüler auf dem Mond



Ein Paderborner Schüler auf dem Mond? Soll das ein Witz sein?

Nein!  Den gibt es tatsächlich dort. Einer der vielen Krater auf dem Mond wurde nach einem berühmten Schüler aus unserer Stadt benannt.

Karl Weierstraß war ein deutscher Mathematiker, geboren am 31. Oktober 1815 in Ostenfelde im Münsterland, gestorben am 19. Februar 1897 in Berlin. Sein Vater war preußischer Steuerinspektor, im Jahr 1827 zog die Familie nach Paderborn, wo Karl später  das „Theo“ besuchte. Dieses heutige Gymnasium („Gymnasium Theodorianum“) ist eine der zehn ältesten in Deutschland noch bestehenden Schulen und führt seine Wurzeln bis auf die erste „Domschule“ aus dem Jahr 799 zurück.

Gedenktafel am Theodorianum
An der Schule ist eine Gedenktafel für die berühmtesten Schüler angebracht, auf der auch der Name von Karl Weierstraß verzeichnet ist. Karl machte hier 1834 schon nach fünfeinhalb Jahren sein Abitur als „primus omnium“, üblich waren zu seiner Zeit sieben Schuljahre. 

Weierstraßweg in Paderborn
Neben der Tafel an der Schule erinnert heute in Paderborn eine kleine Straße an ihn. Der "Weierstraßweg" zweigt in der Nähe der Georgskirche von der Neuhäuser Straße ab.

Nach Studium in Bonn und Münster arbeitete Karl Weierstraß zunächst als Lehrer für Mathematik, Botanik und Turnen an verschiedenen Schulen in Deutschland.  1854 veröffentlichte er im damals bekannten „Crelles Jounal“ (eine Mathematikzeitschrift) eine „Theorie der Abelschen Funktionen“, für die er noch im gleichen Jahr von der Universität Königsberg die Ehrendoktorwürde verliehen bekam.

1856 wurde er Professor an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, wo er alsbald einen exzellenten Ruf besaß und viele Studenten um sich versammelte. Karl Weierstraß gilt als der Begründer der modernen Analysis, wie sie auch heute noch an den Universitäten der Welt gelehrt wird.

In Berlin trägt das „Weierstrass-Institut für angewandte Analysis und Stochastik“ seinen Namen.

An der Paderborner Universität wird an Karl Weierstraß seit 2011 jährlich durch eine besondere „Weierstrass-Vorlesung“ gedacht, zu der die berühmtesten Mathematiker der Gegenwart eingeladen werden. Im Jahr seines 200. Geburtstag wurde an der Universität sogar ein "Weierstraß-Jahr" ausgerufen.

Viele Krater auf dem Mond sind nach berühmten Astronomen, Physikern oder Mathematikern benannt. Und so ist es auch kein Wunder, dass man dort oben einen Krater findet, der „Weierstrass“ heißt. Der Krater befindet sich auf der Mondvorderseite ganz im Westen.  1976 wurde der frühere Krater „Gilbert N“ von der IAU nach Weierstraß benannt. Er ist nicht sonderlich groß, er misst nur 33 Kilometer im Durchmesser. Für kleine Teleskope oder mit einem 400mm Teleobjektiv sollte er jedoch zu finden sein. 

Dies ist in der Praxis jedoch nicht einfach. Denn Mondkrater kann man meist nur dann gut erkennen, wenn die Kraterwände gute Schatten werfen, wenn also bei ihnen die Sonne gerade auf- oder untergeht. Da der Krater sich ziemlich am Westrand befindet, kann man ihn am besten kurz nach Neumond oder kurz nach Vollmond erkennen. 

Die Mondsichel am 21. April 2015
Kurz nach Neumond bedeutet jedoch, das dann der Mond als schmale Sichel nur sehr tief am Horizont steht - und dann durch das Flimmern der Atmosphäre scharfe Fotos nicht einfach sind. Da der Mond außerdem auf seiner Bahn der Erde doch nicht immer exakt das gleiche „Gesicht“ zeigt, sondern ein wenig schwankt, also uns mal mehr oder weniger zugeneigt ist, muss man auch diese „Libration“ genannte Erscheinung  berücksichtigen. Steht das „Mare Crisium“ „randnah“, wie ich in meinen Übersichten manchmal schreibe, ist der Krater praktisch nicht auszumachen. Steht es „randfern“, steigen die Chancen. Hier ein Foto des Mondrands vom 21. April 2015, zwei Tage vor maximaler Libration. 

In diesem 1:1 Ausschnitt aus dem Original habe ich den Krater Weierstrass markiert (ein Klick auf das Bild zeigt es in größerer Darstellung:

Weierstrass ist der kleine Krater genau in der Mitte der roten Markierung
 Der Krater erscheint im Foto nicht kreisrund, sondern oval. Dies ist jedoch nur eine "optische Täuschung", da wir nicht von oben, sondern nur von der Seite auf den Krater schauen. Eine genaue topographische Karte findet man auf der Webseite des ""Lunar and Planetary Institute".

Einen Tag nach Vollmond
Am 29. September 2015, einen Tag nach Vollmond (und Mondfinsternis), gelang mir ebenfalls ein Foto, auf dem der Krater zu erkennen ist.  Kurz nach Neumond ist über dem Krater die Sonne gerade aufgegangen, d.h. die Kraterwand wirft ihren Schatten in Richtung Westen. Nach Vollmond geht die Sonne gerade über dem Krater unter, dann reichen die Schatten nach Osten. Schon am zweiten Tag nach Vollmond ist vom Krater nichts mehr zu sehen, dann liegt er komplett im Dunkel der Mondnacht verborgen. Auch hier gibt es wieder einen 1:1-Ausschnitt aus dem Original:

Der Weierstrass-Krater am Mondrand

 Nach Karl Weierstraß wurde übrigens auch ein Asteroid benannt. In meinem Vortrag "Astronomische Sternstunden 2015" an der Paderborner Sternwarte am 18. Januar 2016 in Schloß Neuhaus können Sie darüber etwas mehr erfahren.

Hier noch ein paar weitere Links zum Krater und zu Karl Weierstraß:

Wikipedia (deutsch) zum Weierstrass-Krater
Wikipedia zu Karl Weierstraß
Project Gutenberg zum Krater (engl.)
Karl Weierstraß in der deutschen Biografie
Das Fotoalbum für Weierstraß bei google books
"Ein großer Sohn der Stadt" - Artikel zum 200. Geburtstag in der Neuen Westfälischen Zeitung
Berliner Mathematische Gesellschaft


P.S.: Meine Mond-Bilder entstanden übrigens durch ein Spektiv mit 400mm Brennweite und angesetzter Kleinbildkamera. Eine praktische Lösung, die man schnell aufgebaut hat und bei der Mondfotografie sich meines Erachtens sehr bewährt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen